1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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578 Drittes Kapitel.
Aschaffenburg und Teile von Fulda). Im Berliner Frieden mußte es 1866 unbe-
deutende Gebiete an Preußen abtreten (Gersfeld, Orb k. in der Rhön, dem Spessart
und in Thüringen).
Das Königreich gehört fast ganz dem deutschen Gebirgs- und Hoch-
lande an, nur im Nordwesten des Hauptgebietes und im Osten des kleineren
Stückes befinden sich bemerkenswerte Einsenkimgen, indem diese Gegenden von
der oberrheinischen Tiefebene berührt werden. In den südlichsten Teil des Haupt-
gebietes reichen zunächst die Alpen hinein, und zwar die Algäuer, Bayrischen
und Salzburger Alpeu, welche zu den nördlichen Vorlageruugeu der Zeniralalpeu
gehören. Nach deu Seen zu setzen sich nordwärts die Ausläufer der Alpen fort
(„Bayrisches Oberland"), dann folgt die schwäbisch-bayrische Hochebene, welche
jenfett der Donau durch den Rücken des deutschen Juras abgeschlossen wird, der
wiedernm gegen Norden bis in die Nähe des Fichtelgebirges läuft. Nordwärts
und nordwestwärts von dem Jura breitet sich das große Triasgebiet aus, welches
meist unter dem Namen des schwäbisch-sränkischen Terrassenlandes zusammen-
gefaßt, durch die Fraukeuhöhe und den Steigerwald in einen östlichen und West-
lichen Flügel geteilt und im Nordeu durch deutsche Mittelgebirge begrenzt wird.
Von den letzteren kommen für Bayern, abgesehen von dem Fichtelgebirge, be-
sonders der Frankenwald und der südöstliche Teil der Hohen Rhön in Betracht,
wozu weiter südwärts im Mainviereck der Spessart, und westlich von diesem,
im äußersten Nordwesten des Landes, Teile des Odenwaldes treten. An der
Ostgrenze des Hanptlaudes liegt der Böhmerwald, und von diesem zweigt sich
der Bayrische Wald ab, um in der Richtung von Südosten nach Nordwesten die
Donau zu begleiten. In der Oberpfalz breitet sich ein Plateau aus. — Das
kleinere Gebiet enthält im Osten einen Teil der oberrheinischen Tiefebene, im
Westen hauptsächlich das Hardtgebirge, aus dem sich im Norden der Donnersberg
erhebt; der südwestlichste Teil wird uoch vom Steinkohlengebirge der Saar berührt.
Die für das Laud in Betracht kommenden Alpen gehören ihrer Natur nach
zu den Kalkalpen; die Schneelinie beginnt in ihnen erst bei einer Höhe von
2400 m, daher denn auch Gletscherbildungen hauptsächlich ngr an der Zugspitze und
in der Umgegend des Königssecs (am Watzmann) vorkommen. Von den Algäuer
Alpen (bis zum Lech) kommen für Bayern besonders nur die nördlichen Teile in
Betracht. Hier erheben sich der Biberkopf (über 2600 m), die Mädelergabel (mit
Spitzen bis 2650 m) und der Hochvogel (2540 m), und auch auf weiter nordwärts
gelegenen Nebenzügen finden sich Gipfel von 2000—2400 in; die Voralpen reichen
bis in die Gegend von Kempten (der Kemptener Wald, 976 m hoch). Zwischen Lech
und Inn folgen die Bayrischen Alpen, welche durch die Flußthäler des Lechs, der
Ammer, der Loisach, der Isar und des Inns durchfurcht werden. In dem südlichen
Teile Bayerns erhebt sich hier das Wettersteingebirge mit der Zugspitze (über
2900 in) und andern Gipfeln von ähnlicher Höhe (Schneefernerkopf, Wetterstein?e.).
Östlich schließt sich das Karwendelgebirge an, welches auf der österreichisch-bayrischen
Grenze liegt und in der Karwendelspitze 2530 m hoch steigt. Östlich von Achenpasse
kommen für Bayern nicht mehr die Hauptmassen der Bayrischen Alpen in Betracht:
dieselben liegen bereits in Tirol. Nordwärts von dem geschilderten Hauptgebiete der
Bayrischen Alpen breitet sich nun jene Gebirgsgegend aus, die als das „Bayrische
Oberland" bezeichnet zu werden Pflegt. Hier liegt im Westen das Ampergebirge
mit Gipfeln bis zu 2000 in (die Hochplatte 2084 m), in der Mitte (zwischen Loisach
und Isar) ein seenreiches Gebirgsland mit der Benediktenwand (1800 in) und (weiter
nach der Ebene zu) dem Hohen Peißenberg (975 in), woran sich ostwärts ein
umfangreiches Gebiet schließt, in welchem sich der Hirschberg (1719), der Wendel-
stein (1839 in) k. erheben. Hügelpartien ziehen sich weiter nordwärts in die Hoch-
ebene hinein. Jenseit des Inns folgen die Salzburger Alpen. In dieselben reicht
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Das Königreich Bayern. 587
Schleißheim (königliches Schloß mit Park, Kreis-Ackerbauschule). — Südwestlich
von München das Dorf Starnberg am nördlichen Ende des gleichnamigen Sees
(Vergniigungsort, Schloß, Landhäuser); am östlichen Seeufer Berg mit königlichem
Schloß (Tod König Ludwigs Ii., 1886). — Schön gelegene Orte am Starnberger-
See sind auch Possenhofen (Schloß des Herzogs Max in Bayern), Feldafsing
und Tutzing.
Im Südwesten des Bezirks liegen: Schongau, Stadt am linken Ufer des Lechs,
1814 Einwohner. Bezirksamt, Kloster; Gerberei. In dem nahen Altenstadt die
prachtvolle Michaelskirche (ehemalige Kommende der Templer). Im Osten der Hohe
Peißenberg (der „Rigi" Bayerns") und das Sulzer Bad (Schwefelquelle).
Noch weiter im Südwesten, in der Nähe der Zugspitze, die Flecken Garmisch
(Bezirksamt, Bahnstation) und Partenkirchen, beliebte Sommerfrischen (Höllen-
thal, Eybsee, Partnachschlucht); nahebei auch das „Kainzenbad." — Nördlich Ober-
Ammergau, großes Torf in dem fchönen Ammerthale; Gewerbfleiß (Spielsachen,
Kruzifixe, Heiligenbilder jc.); Zeichen- und Modellierschule; Passionsspiele (groß-
artige Passionsgruppe). — Südöstlich von Partenkirchen liegt Mittenwald, Flecken
an der Isar; Verfertigung von musikalischen Instrumenten (Guitarren, Zithern,
Geigen); Hauptzollamt, Bergbau (Blei- und Zinkerze); in der Nähe der Engpaß von
Scharnitz (zwischen der Wetterstein- und Karwendelgruppe).
Im Süden des Ammersees liegt Weilheim, Stadt und Bahnkreuzungspunkt
an der Ammer, 3850 Einwohner. Bezirksamt, Schloß und Marmorbruch. — Nord-
westlich von Weilheim die ehemalige Benediktinerabtei Wessobrunn (das „Wesso-
brunner Gebet"). — Im Süden von Weilheim der Flecken Muruau am Staffelsee,
mit altem Schlosse (Bahnstation); in der Nähe Sandsteinbrüche, Kohlengruben und
das Mnrnauer Moos.
Weiter östlich Tölz, Flecken und Bahnstation am Austritt der Isar aus den
Alpen; Bezirksamt, Franziskauerkloster; Zemenlsabrikation. In der Nähe das Bad
Krankenheil (jodhaltige Mineralquelle) und Gipsbrüche. — Südlich davon Leng-
gries, gewerbreiches Dorf im Jsarthale (Papierfabrik, Marmorbruch, Waisenhaus).
— Ganz am Fnße der Alpen Heilbrunn, Badeort ljod- und bromhaltige Koch-
salzqnellen). — Südlich vom Starnberger See Benediktbeuern, früher ein reiches
Benediktinerkloster (740 gestiftet, 1803 säkularisiert), jetzt Juvalidenhaus und Militär-
sohlenhos; Glasschmelze für optische Gläser. In der Nähe die 1804 m hohe Bene-
diktenwand mit großartiger Aussicht. — Am westlichen Fuße der Benediktenwand
das Bad Kochel am anmutigen Kochelsee (früher Nonnenkloster; Schloß). — Am
weiter südlich gelegenen herrlichen Walchensee der Ort Walchensee in schöner
Gegend; zwischen beiden Seen der bedeutende Aussichtspunkt Herzogenstand mit
königlichem Jagdhause. — Südlich von der Benediktenwand das Dorf Jachenau
in dem gleichnamigen Thale.
Schon rechts von der Isar breitet sich bis zum Inn hin der Bezirk Miesbach
aus. Miesbach, Flecken und Bahnstation. Bezirksamt, Fabrikation von Zement und
Kirschgeist; in der Nähe mehrere Papierfabriken; Schloß. Hier und in der Um-
gegend Steinkohlengrnben. — Fast südlich davon Schliersee, Dorf und Bahn-
ftation, am gleichnamigen See, beliebter Sommeraufenthalt der Münchener. Nicht
weit davon der Wendelstein (bedeutender Aussichtspunkt mit Wirtshans). —
Im Nordwesten der Flecken Holzkirchen, Eisenbahnkreuzungspunkt, ehemaliges
Kammergut Karls des Großen. — Südwestlich von Miesbach Tegernsee, Dorf und
Bahnstation in reizender Lage am Ostufer des gleichnamigen Sees; Schloß des
Herzogs Karl Theodor in Bayern (ehemaliges Benediktinerkloster 719 —1803) mit
schönem Park; vielbesuchte Sommerfrische. Südlich davon in wilder Alpengegend
das Wildbad Kreuth (Bittersalzquellen, Molkenkur; einer der feuchtesten Orte Deutsch-
lands). Am Austritt der Mangfall aus dem Tegernsee Gmund, Dorf und Eisen-
bahnstation; Papierfabrikation, Schloß.
Fast östlich von Miesbach am Einfluß der Mangfall in den Inn Nosenheim,
unmittelbare Stadt, Eisenbahnknotenpunkt, 9264 Einwohner, Bezirksamt, Oberbahnamt,
Hauptzollamt, Forstamt, fünf katholische Kirchen, Kapuzinerkloster, Agentur der Bay-
rischen Notenbank, Kreditverein; Industrie (Eisengießerei, Fabrikation von Maschinen,
Pulver, Zementwaren, Seilen, Bierbrauerei, Dampfsägewerke); Saline und Solbad
(die Sole kommt von Neichenhall); bedeutende Biehmärkte. — Im Bezirksamte Rosen-
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Das Königreich Bayern. 579
am tiefsten das Berchtesgadener Ländchen hinein, in welchem sich um den herrlichen
Königssee (603 m) der Watzmann (2740 m), das Steinerne Meer (auf der öfter-
reichischen Grenze) und der Ewige Schneeberg (2940 m) gruppieren. Nordwestwärts
vom Berchtesgadener Ländchen 'und nördlich von Reichenhall erhebt sich der hohe
Staufen (1775 m), an welchen sich ostwärts, auf der österreichischen Grenze, der
sagenreiche Untersberg (1973 m) schließt. Westwärts von Reichenhall, nach dem
Inn zu, ziehen sich noch mehrere Alpengruppen mit Bergen bis zu 2000 m. Vor-
berge erstrecken sich bis zum Chiem- und Simmsee.
An den Nordfuß der geschilderten Alpen schließt sich die schwäbisch-bayrische
Hochebene an, von Gewässern der Donau durchfurcht; sie hat eine mittlere Höhe von
550 m, ist fast ganz eben und reich an Versumpfungen sowie an Torfmooren (den
„Moosen"). Gegen Nordwesten wird die Hochebene von dem Kalkgebirge des deutschen
Jura begrenzt, welcher die nordöstliche Fortsetzung des Schweizer Juras bildet und
in den Schwäbischen und Fränkischen Jura zerfällt. Der Schwäbische Jura liegt
uur mit seinen östlichsten Teilen in Bayern, während der Fränkische diesem Lande
ganz angehört. Der letztere beginnt bei der Bucht des Ries (Gegend von Nördlingen),
hat eine mittlere Erhebung von 550 m (kaum 200 m über der Donau) und wird durch
das vielgewundene Thal der Altmühl ganz durchbrochen, nicht minder durch die künst-
liche Wasserstraße des Ludwigskanals (416 m). Die Nordspitze des Fränkischen Juras
wird durch das hochromantische Wiesenthal durchschnitten (die „Fränkische Schweiz").
Die Platte der Oberpfalz ist etwa 200 m niedriger als der sie westwärts begrenzende
Jura und wird durch die Nab mit ihren Zuflüssen durchfurcht. Von dem Trias-
gebiete kommen besonders die fränkischen Terrassen in Betracht. Mittelfranken wird
durch die Fraukenhöhe von der schwäbischen Terrasse getrennt. Der Steigerwald
und dessen nördliche Fortsetzung, die Haßberge, scheiden die oberfränkische von der
unterfränkischen Terrasse. Von dem Böhmerwalde kommen die nördliche und mittlere
Abteilung, und zwar beide in ihrer westlichen Hälfte, in Betracht; in der ersteren
Abteilung liegt auf der bayrisch-österreichischen Grenze der Czerkow (1057 m), in
der letzteren erheben sich auf bayrischem Gebiete der Arber und Rachel (1471, bez.
1458 m). Der Bayrische Wald, welcher sich in der Nähe des Rachels vom Böhmer-
walde abzweigt, steigt in dem Dreitannenriegel 1227 in hoch. Das Fichtelgebirge,
welches mit der nördlichen Abteilung des Böhmerwaldes durch ein welliges Hügel-
land verknüpft ist, gehört fast ganz zu Bayern; es steigt im Ochsenkopf 1017, im
Schneeberge 1060, im Waldstein 990 m hoch. Der Frankenwald, ein Plateau mit
scharfem Abfalle gegen das rechte Mainufer hin, gehört gleichfalls teilweise dem
Königreiche an. In dem zu Bayern gehörigen Teile der Hohen Rhön steigt der
Krenzberg bis zu 931 in, während in dem plateauartigen Spessart der Edersberg
nur eine Höhe von 615 in erreicht. In geognostischer Beziehung bestehen die nach
Bayern hineinragenden Alpen aus Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper, Lias, Jura,
Kreide ?e. Im südöstlichsten Teile des Landes (bei Berchtesgaden und Reichenhall)
sinden sich bedeutende Salzablagerungen. Die Hochebene ist am Rande der Alpen
mit Molasse (Konglomeraten), Weiler nordwärts mit Mioeän (thonigem, glimmer-
reichem Sande) bedeckt, worüber meist Dilnvialschichten lagern. Der Böhmer- und
Bayrische Wald sowie das Fichtelgebirge bestehen aus kristallinischen Gesteinen
(Gneis, Glimmerschiefer, Granit). Durch den großen Kalkgürtel des Jnrazuges wird
von der Hochebene das große Triasgebiet geschieden, dessen Gesteine (Keuper, Mnschel-
kalk und Buntsandstein) den größten Teil des übrigen Landes ausfüllen. Der
Spessart und der bayrische Teil des Odenwaldes gehören größtenteils der Tertiär-
sormation (Buntsandstein) an, während die Hohe Rhön in ihrer Hauptmasse aus
vulkanischem Gestein (Basalt, Phonolith und Trachyt) besteht, das sich aus dem
Triasgestein emporgehoben hat. Die Gebirge der Rheinpfalz gehören gleichfalls vor-
herrschend der ^.riasformation an, namentlich das Haardtgebirge, welches im Kalmit
680 in) seinen höchsten Punkt hat. Im nördlichen Teile der Rheinpsalz erheben
sich einzelne isolierte Porphyrgipfel aus der Triasmasse heraus, unter denen der
Donnersberg (689 in) am höchsten ist.
Die Gewässer des Landes gehören besonders den Stromgebieten des
Rheins und der Donau an, der Elbstrom kommt nur in ganz unbedeutendem
Maße im Nordosten des Hauptlaudes iu Betracht.
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580 Trittes Kapitel.
Das Königreich erreicht mit einem unbedeutenden Gebiete den Bodenfee, durch
welchen der Rhein fließt; die Rheinpfalz wird von dem Rheinstrome gegen Ende
des Oberlaufes bespült, der hier mehrere kleinere Flüsse (den Grenzfluß Lauter, die
Queich und Speyer) aufnimmt; auch der Nahezufluß Glan greift noch in die Rhein-
Pfalz ein. Noch weit wichtiger wird das Gebiet des Rheinstromes für das Land durch
seinen bedeutenden Nebenfluß Main, welcher nur in dem letzten Teile seines Unter-
lauses nicht in Bayern fließt, von Bamberg an eine bedeutende Verkehrsstraße bildet
und durch seinen Zufluß Rednitz Gelegenheit zu der Verbindung mit der Donau
gibt (dem Ludwigskanal zur Allmühl). Die Rednitz nimmt links die Atsch, rechts
die Pegnitz und Wiesent auf. Der Main empfängt links noch die Tauber (nur eine
kurze Strecke auf bayrischem Gebiete) und rechts die Jtz und Fränkische Saale. Die
Donau bildet von Ulm bis Passau quer durch Bayern eine bedeutende Verkehrs-
straße, an welcher schon sehr früh Regensburg emporgeblüht ist. Ihr gehen rechts
die Jller, der Lech mit Wertach, die Paar, die Isar mit Amper und Loisach und
der Inn mit Mangfall und Alz, links Wörnitz, Altmühl, Raab und Regen zu;
diese Zuflüsse haben bis auf die Altmühl für die Schiffahrt nur geringe Bedeutung. —
Der Elbstrom greift nur auf ganz kurze Strecken durch die Saale und Eger in das
Königreich ein; dieselben entspringen in Bayern und bewässern den nordwestlichsten
Teil des Landes. — Art Seen ist das Bayrische Oberland sehr reich; die meisten
derselben gehören zu der Isar und deren Zuflüssen. Die Amper empfängt die Ge-
Wässer des Staffel- und Ammersees, die Würm die des Würmsees; zur Loisach ge-
hören der Eib-, Walchen- und Kochelsee. Dem Jnnznfluß Mangfall gehören der
Tegern- und Schlierfee, dem Inn selbst der Simmsee, dem Jnnzuslusse Alz der
Chiemsee, der Salzach der Königs- und Wagingersee an.
Bayern enthält in seinen südlichen Teilen im ganzen wenig fruchtbaren
Boden; besser sind die Verhältnisse weiter nordwärts, besonders in der Main-
gegend und in der Rheinpfalz.
In den Alpen überwiegt naturgemäß im hohen Maße das Wiesen-, Weide-
und Waldland. Das an die Alpen sich anschließende Hügelland ist wesentlich
fruchtbarer und zum Ackerbau wohlgeeignet. Die nordivärts folgende Hochebene ist
namentlich in ihren mittleren Teilen unfruchtbar und öde, in den breiten Flnßthälern
vielfach sumpfig (das Dachauer und Erdinger Moos). Von hervorragender Frucht-
barkeit ist der Boden in der Nähe des Bodensees, in der Gegend von Regensbnrg
und in Niederbayern auf dem rechten Ufer der Donau. Weiter oberhalb befinden
sich an der Donau, besonders im Bezirke Schwaben und Neuburg, Riede und Moose;
dieselben sind teilweise noch unkultiviert. Am linken Donauufer bildet die Jura-
gegend ein wasserarmes, unfruchtbares Gebiet, doch findet sich gerade hier das Ries
an der Wörnitz, eine Einbuchtung von hervorragender Ertragsfähigkeit. Die Gegend
des Bayrischen Waldes ist besonders mit Waldungen bedeckt. Die Oberpfalz ist der
wiefenreichste Bezirk des Landes; der Ackerbau hier tritt verhältnismäßig zurück. In
Oberfranken ist Wald- und Wiesenbau am Fichtelgebirge vorherrschend, die Jura-
striche leiden wiederum an Wasserarmut, dagegen sind die Maingegenden von Baireuth
abwärts, besonders bei Bamberg, sehr fruchtbar, größtenteils auch die Gelände an
der Rednitz. In Mittelfranken ist die Fruchtbarkeit geringer, besonders treten die
Gegenden des Juras und der Frankenhöhe sehr zurück; am günstigsten sind die Boden-
und Anbauverhältnisse im Gebiete der Rednitz (Nürnberg :e.). Unterfranken hat in
den Flußthälern, besonders am Main, sehr fruchtbare Striche, sehr wenig ertrag-
reiche Gegenden bilden aber die Gebirgsländer (im Norden die Rhöngegend, im
Westen der Spessart). In der Rheinpfalz findet sich ein erheblicher Teil der ge-
segneten Rheinebene, auch der nördliche Teil des Berglandes derselben ist im ganzen
fruchtbar, dagegen ist der südliche Teil der Haardt ein wenig ertragreiches Gebiet. —
Die Ausbeute an nützlichen Mineralien ist im ganzen nicht groß. Am Nordfuße
der Alpen finden sich Steinkohlen, ebenso vereinzelt am Thüringer Walde und in
der Rheinpfalz (Ausläufer des Saarbeckens); Eisenerze kommen am Fichtelgebirge,
in der Oberpfalz :c.r Steinsalz in der Gegend von Berchtesgaden und Reichen-
hall vor; außerdem werden Lithographensteine (bei Solnhofen), Porzellanerde und
Graphit (Bei Wegscheid in der Näh? von Passau), sowie Schiefer (am Franken-
waldc) gewonnen.
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Das Königreich Bayern. 611
Maschinen- und Nagelfabrikation sowie Viehzucht. Am Austritt der Wertach aus den
Alpen der Flecken Wertach. Zwischen Trettach und Stillach der Flecken Oberst-
dorf, Wallfahrtsort; herrliche Alpengegend, Rinderzucht (Allgäuer Rasse), Fabrikation
von Holzwaren, Bntter und Käse. In der Nähe die höchsten Gipfel der Allgäuer
Alpen: Hochvogel, Mädeler Gabel und Biberkopf sowie das Schwefelbad Tiefen-
bach. — Jmmenftadt, Stadt und Bahnstation am Austritte der Jller aus deu
Alpen, 2924 Einwohner. Kapuzinerkloster. Käserei; Viehmärkte; in der Nähe die
Ruine Rothenfels (früher Standesherrschaft). In dem nahen Blaichach an der
Jller (Bahnstation) große Baumwollenspinnerei und -Weberei; desgleichen in dem
etwas entfernteren Fischen an der Jller. — Oberstaufen, westlich von Immen-
stadt, .Flecken, ehemaliges Kollegiatstist, Schloßruine.
Östlich von Jmmenstadt Füssen. Stadt an dem Ausflusse des Lechs aus den
Alpen und nahe der österreichischen Grenze, 2767 Einwohner. Bezirksamt, viele
katholische Kirchen; Kleingewerbe (Orgelbau und Seilerei), Marmorbrüche, Holz-
flößerei. Die große Burg (ehemalige bischöfliche Residenz), am südlichen Ende der
Stadt, ist restauriert (von König Ludwig I.); daneben die ehemalige Benediktiner-
abtei St. Mang (seit 638, mit Kuppelkirche). Füssen ist seit 1802 bayrisch (Friedens-
schlnß von Füssen, 1745; mehrere Gefechte in der Franzosenzeit: 1796, 1800, 1809).
In der Nähe Faulenbach (Schwefelbad) und die schöne Stromschnelle des Lech-
dnrchbruches („St. Mangstritt"). Schon in Tirol liegt der nahe Flecken Reute
mit dem Passe der „Ehrenberger Klause" (1546 und 1552 Gefechte). — Bei dem
Orte Schwangau das königliche Lustschloß Hohenschwangau (alte Burg, von
Maximilian Ii. wiederhergestellt, Abschied Kouradins von seiner Mutter). In der
Nähe, auf hohem Felsen, das Schloß Schwanstein (von König Ludwig Ii. erbaut),
der Alp- und Schwansee, der Wasserfall der Pöllat, die Marienbrücke und der
Säuling (auf der Grenze). — In Pfronten-Ried an der Vils ein Hauptzollamt;
iu Pfronten-Steinach Burgruine und Viehmärkte; bei Roßhaupten in der
Nähe des Lechs in tiefem Thale die St. Mangskavelle.
Am linken Ufer der Jller in anmutiger Gegend Kempten, unmittelbare Stadt und
Eisenbahnknotenpunkt, 15 762 Einwohner (1890, evangelisch). Bezirksamt, Land-
gericht mit Kammer für Handelssachen, Oberbahnamt, evangelische St. Mang- und
katholische St. Lorenzkirche, Gymnasium, Realschule, viele milde Stiftungen (Waisen-
haus, zwei Spitäler ?c.); Schloß, Rathaus. Lebhafte Industrie (Baumwollenspinnerei
und -Weberei, Papier-, Holzstoff-, Maschinen-, Zündhölzer-, Pulverfabrikation, An-
fertignng von mathematischen Instrumenten, Bierbrauerei); wichtiger Handel (Käse,
Butter, Leinwand ?c.). Reichsbanknebenstelle und Vorschußverein. Früher aus zwei
Städten bestehend, nämlich der Altstadt (Reichsstadt und evangelisch) und der hoch-
gelegenen Neustadt (Stiftsstadt und katholisch), mit dem von Hildegard, der Ge-
mahlin Karls des Großen, gestifteten Benediktinerkloster; die einander stets feindlichen
Städte kamen 1803 an Bayern.
Im Bezirksamte Kempten: das große Dorf St. Mang, mit dem ehe-
maligen Kloster Lenzfried und dem Fabrikorte Kottern (Eisengießerei und be-
deutende Baumwollenspinnerei und -Weberei). — Das große Dorf St. Lorenz (114
Ortschaften) mit dem ehemaligen Franziskanerkloster Heiligkreuz. — Bei Sulz-
berg eine Burgruine und das Bad Sulzbrunn; bei dem Orte Mittelberg
Maria-Rain (mechanische Werkstätte, Fabrikation von Blechinstrumenten und
Reißzeugen und Wallfahrtskirche). — Flecken Weitnau, Handel mit Kirschwasser
und Käse; Spinnerei („Seltmanns").
Nordöstlich von Kempten, unweit der Wertach, der Flecken Oberdorf. Bezirks-
amt, königliches Schloß, Fabrikation von Holzwaren, Butter und Käse. — Bei dem
Dorfe Bidingen Reste eines Römerturmes. — Obergünzburg, Flecken und
Bahnstation, in einem freundlichen Thale an der östlichen Günz (Wollenspinnerei;
Butter - und Käsefabrikation, Viehzucht; schon Römerstation). — Der Flecken
Ronsberg, Papierfabrikation, Burgruine.
An der Wertach, abwärts von Oberdorf, Gaufbeuren, unmittelbare Stadt und
Bahnstation, 6494 Einwohner (V8 evangelisch). Fruchtbare Gegend, Bezirksamt,
Realschule, Kreisirrenanstalt, Franziskaner-Nonnenkloster, mehrere Wohlthätigkeits-
anstalten und Stiftungen (zwei Krankenhäuser, Waisenhaus :e.). Wallfahrtskirche
der heiligen Creseentia. Reger Gewerbfleiß (Baumwollenspinnerei und -Weberei,
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Die Oberflächenform und die Bewässerung. 9
ergeben sich für das ganze Gebiet drei Höhenstufen, nämlich a) das Alpen-
land, b) die deutsche Mittelgebirgslandschaft und c) das deutsche
Tiefland.
Während das erstere ein einheitliches Ganzes bildet, enthält das deutsche
Mittelgebirge eine große Anzahl voneinander getrennter und sich durchkreu-
zeuder Gebirgszüge, und zwischen diesen Hochebenen Stnsenländer und Ein-
senknngen; knrz, eine reiche Mannigfaltigkeit, und doch wiederum eine harmo-
nische Ordnung, in welche sich die großen Flußgebiete hinzufügen. Das deutsche
Tiefland wird nur durch Hügelreiheu, Höhenzüge und niedrige Bergrücken
durchbrochen, durch die Strom- und Flußläuse gegliedert und zerfällt, indem
das Mittelgebirge in der Wesergegend weiter gegen Norden vorgeschoben ist,
als in der Oder- und Weichselgegend. in eine größere östliche und eine kleinere
westliche Hälfte.
§ 2. Das Alpeulaud in seiner Gesamtheit.
Was nun zunächst das Hochgebirge der Alpen anlangt, so läßt es sich,
obwohl, wie früher bereits augedeutet, nur ein kleiner Teil desselben für das
Deutsche Reich in Betracht kommt, doch nicht vermeiden, demselben eine allge-
meine Charakteristik zu widmeu, an welche sich auch die Gruppierung seiner
Abteilungen zu schließen hat. — Von dem südwestlichen Frankreich zieht sich
das Alpengebirge durch die Schweiz, Süddeutschland, Norditalien und Öfter-
reich hindurch, um selbst noch die südwestlichen Gebiete Ungarns und die nord-
westlichen der Balkanländer zu berühren; es breitet sich zwischen 43—48°
nördl. Br. und 5—161/2 östl. L. von Greenwich aus. Sein Gebiet steht zwar
an Umfang dem skandinavischen Gebirgskunde nach, aber es übertrifft das
letztere an Höhe der Gipfel und Kämme und au Eutwickeluug und Reichtum
feiuer Formen außerordentlich. Nur mit den Apenninen, dem schweizerischen
Jura und deu nach der Balkanhalbinsel ziehenden Kalkplateaus steht es in
unmittelbarem Zusammeuhauge, währeud es soust ringsum aus der Ebene
gewaltig emporsteigt; im Süden fast unmittelbar aus der lombardischen Tief-
ebene, im Norden hingegen aus einer Zone von Vorbergen, an die sich weiter-
hin Hochebenen anschließen. Aus den letzteren Verhältnissen erklärt es sich,
daß sich alle läugereu Thäler uach Norden und Osten hin öffnen, während sich
nach Süden hin nur kurze und steile Thäler erschließen, und daß Deutsche und
Slaweu (von Norden und Nordosten her) eiueu größeren Teil des Alpenlandes
besetzen konnten als die Romanen (von Süden her).
Was das Entstehen des Gebirges anlangt, so läßt sich dasselbe zunächst als
das Ergebnis langdauernder Kristallisationen und Niederschläge aus einstigen Ur-
meeren bezeichnen^). Hierauf erfolgten in verschiedenen Perioden Hebungen und
Senkungen, dann abermalige Überflutungen und neue Ablagerungen, bis endlich
scucrslüssige Massen aus dem Erdinnern diese übereinander gelagerten Schichten
durchbrachen. Von besonders tiefgreifendem Einflüsse war es für die Gestaltung des
Hochgebirges, als die Granite, Gneise und kristallinischen Schiefer, welche den eigent-
lichen Kern desselben ausmachen, aus den Tiefen hervorgedrängt, von den strahlend
aufschießenden Massen der hornblendenartigen Gesteine durchbohrt und fächerartig
aufgerichtet wurden. Auf ungeheure Strecken hin wurde die Decke, besonders die
*) Vergl. E. Desor, „Der Gebirgsbau der Alpen" (deutsch von G. Theobald,
Wiesbaden 1865).
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10 Zweites Kapitel.
Schieferschichten derselben, zersprengt, zerrissen, gehoben, gefaltet und überhaupt der-
ändert. Die granitischen Zentralmassen haben also für die Gestaltung des gewal-
tigen Alpengebäudes den eigentlichen Hebel gebildet. Aber auch diese haben später
mannigfache Umwandlungen erfahren. Denn Hitze, Dämpfe, Gase und Säuren
sorgten fortgesetzt für die Zertrümmerung älterer und die Bildung neuer Gesteine,
und noch jetzt ist dieser Entwickelungsprozeß keineswegs zum Abschlüsse gelangt.
Es läßt sich nun zunächst die Zone der Zentralalpeu unterscheiden,
welche aus kristallinisch-schieferigen Gesteinen, besonders aus Gneis und Glim-
merschiefer bestehen, die von granitischen Massen durchbrochen sind. Diese
Mittelzone wird im Westen, Norden und Süden von Nebenzonen begleitet,
welche größtenteils aus Kalksteinen, Sandsteinen und Schiefern bestehen und,
da die ersteren vorherrschen, mit dem Namen Kalkalpen belegt zu werden
Pflegen. Diese Alpen senken sich gegen die Vorberge und die Ebenen nieder,
welche den Fuß des Gebirges umgeben; sie sind es, die für das Deutsche
Reich nur in Betracht kommen.
Im eigentlichen Sinne ist das Alpengebirge kein Kettengebirge zu
nennen, wie man noch vielfach annimmt, vielmehr zerfällt dasselbe in eine
Anzahl selbständiger Gebirgsgruppen oder Massivs, welche aus einem
Granit- oder Gneisstocke bestehen und wiederum von Schiefern und Kalken
umgeben sind. Diese Gruppen sind entweder unter sich parallel, oder wie Felder
eines Schachbrettes gegeneinander gestellt, zwischen denen mehr oder weniger
zusammenhängende Mulden und Thäler die Scheidegrenzen bilden. Erst in
den Ostalpeu lassen sich längere Parallelketten deutlich verfolgen. Der er-
wähnten eigentümlichen Gruppierung des Gebirges entspricht es, daß das-
selbe allenthalben von tiefen, reich bewässerten und fruchtbaren Thäleru durch-
zogen ist, in denen zahlreiche Bewohner sich niederlassen und selbständige
Völker und Staaten bilden konnten, und da diese Thäler fast überall durch
Bergpässe, welche sich entweder durch jene Mafstvs hindurchwinden oder in die
Kämme tief eingeschnitten sind, in Verbindung gesetzt werden, so sind die
Alpen, wiewohl sie in Klima, Vegetation und Tierwelt für Europa eine
wichtige Grenzscheide darstellen, doch eins der zugänglichsten und passierbarsten
Gebirge unsres Erdteils. Infolgedessen haben anch seit den ältesten Zeiten
viel benutzte Straßen durch dieselben geführt und gehen gegenwärtig teils
über ihre Pässe (Brenner, Schober, Semmeriug), teils, vermittelst kunstreicher
Tunnels, durch ihre Tiefen hindurch (Mont Cenis, St. Gotthard, Arlberg)
wichtige Eisenbahnlinien zur Vermitteluug des Weltverkehrs.
Hinsichtlich der Höhen Verhältnisse unterscheidet man 1) Voralpen,
von 600—1800 m Höhe, 2) Mittelalpen, etwa von 1300—2700, bez.
(im Süden) 2800 in, d. h. bis zur Schueegrenze. und 3) Hochalpen, von
2700, bez. 2300 in, aufwärts bis zu den höchsten Erhebungen. Die erst-
erwähnte Vorstufe, dereu Grenze zusammenfällt nicht nur mit der Grenze
des Holzwuchses, sondern im allgemeinen auch mit derjenigen bleibender An-
siedelungen der Menschen, läßt sich wiederum in drei Regionen zerlegen, deren
unterste, etwa bis zu 800 m Höhe, durch den Anbau vou Nußbäumen und
Edelkastanien sowie von Mais und Weinstöcken (im Süden bis zu 900 m)
charakterisiert wird, während die zweite, bis zu 1300 in, iu Wäldern das
Vorherrschen der Buche und an den Abhängen die Kultur der europäischen
Getreidearteu sowie uusrer gewöhnlichen Obstbäume zeigt, und die dritte
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- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
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- Auflagennummer (WdK): 2
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12 Zweites Kapitel.
1) Die Westalpen erstrecken sich von dem Meerbusen von Genua bis
znm Großen St. Bernhard und fallen nicht in das Gebiet des Deut-
scheu Reichs.
2) Die Zentralalpen, vom Großen St. Bernhard bis zum Breuuer.
Von dieser Abteilung fallen nur die nördlichen Kalkalpen vom Bodensee
bis zum Juudurchbruche teilweise iu das Deutsche Reich.
3) Die Ostalpen, vom Brenner bis znr ungarischen Ebene. Von ihnen
gehören mir die nördlichen Kalkalpen vom Inn bis zur Salzach hierher.
§ 3. Die Kalkalpeu zwischen Inn und Salzach.
Die Kalkalpeu zwischen Inn und Salz ach werden gewöhnlich mit
dem Nameu der „Salzbnrger Alpen" bezeichnet. In denselben erheben sich
im äußersten Südosten des Deutscheu Reiches um das wunderbare Becken des
Königsees herum die Watzmanngruppe oder die Berchtesgadener Jupen, im
ganzen zwischen dem Saalach- und Salzachthale gelegen.
Die Berchtesgadener Alpen bilden eine durch reiche Thalbildung und wunder-
baren Wechsel ausgezeichnete Landschaft, welche im Süden durch das Steinerne
Meer, im Norden durch den marmorreichen Untersberg (1811 in), im Osten
durch den Hohen Göll (2526 in), im Westen durch das Reitalpgebirge (2145 in)
begrenzt wird. Von zwei ungeheuren und starren Felsengraten, welche nordwärts in
das Berchtesgadener Ländchen hineinlaufen, ist der Watzmann (2714 m) der höchste,
und er tritt unmittelbar westwärts an den Königssee heran. — Das ganze äußerst rei-
zende Alpenländchen ist reich an Steinsalz.
Weiter westlich folgen die Sonntagshorn- und die Kaisergruppe.
In der ersteren liegen zwischen Reichenhall und Reit im Winkel das Sonn-
tagshorn (2175 in), über das die Reichsgrenze läuft, und weiter nördlich der Hohe
Staufen (1816 m), der Reichenhall überragt. Nach dem Chiemsee zu breitet sich
das Chiemseer Gebirge aus, in welchem der Hofelen (1669 in) und der Hoch-
gern (1747 na) durch ihre sanft gezeichneten, grünen Häupter auffallen. — Westlich
von Reit im Winkel folgen niedrigere, aber schön bewaldete Bergmassen, in denen
der Geigelstein (1810 in hoch) und nordöstlich von demselben am linken Ufer des
Achen die Kampenwand mit zackiger Felsenkrone (1678 in hoch) aufragen.
§ 4. Die Bayrischen Alpen.
Die folgenden Kalkalpen sind in ausgezeichneter Weise durch die Jll,
den Arlberg, die Rofauua und den Inn von der Zentralkette, und von ihren
westlichen und östlichen Nachbarn durch das breite Rheinthal nebst Bodensee
sowie durch den Jnndnrchbruch getrennt. Wir haben hier denjenigen Teil der
Alpen vor uns, welchem der Name der Bayrischeil Älpen gebührt. Sie
sind durch Einfachheit des Baues und geologische Zusammensetzung in allen
Teilen ziemlich gleichartig, insbesondere ist ihnen gemeinsam im Süden ein
geschlossener Hauptkamm, der fast überall gegen die Zentralalpen steil und
wallartig mit nackten Wänden abfällt, wogegen im Norden immer niedriger
werdende Parallelketten vorgelagert sind, mit welchen sich diese Alpen znr
schwäbisch-bayrischen Hochebene senken. Dominierende Gipfel sind nicht vor-
handen und die vorhandenen Thäler ziemlich kurz. Wir unterscheiden hier
nacheinander die Sonnenwendjoch-, die Solstein- oder Karwändel-,
die Wetterstein- und die Jllergrnppe. Zwischen Inn einer- und Achen-
Isar anderseits liegt die Sonnenmendjochgruppe.
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Die Oberflächenform und die Bewässerung. 15
§ 6. Einteilung der Mittelgebirgslandschaft. Jurazug
und Hochebene.
Das deutsche Mittelgebirge liegt in der Mitte zwischen dem frauzöfi-
fchen (Ceveunensystem) und dem ungarischen Mittelgebirge (Karpathen-
system), ohne mit denselben fest verknüpft zu sein; es breitet sich nordwärts
der Alpen weithin durch das deutsche Land aus, bis es seine Grenze an dem
großen Tieflande findet. Sein ausgedehntes Gebiet läßt sich in folgende Ab-
teilnngen zerlegen: 1) der schwäbifch-fränkifche Jura und die süddeutsche
Hochebene; 2) das Triasgebiet; 3) das rheinische Gebirgssystem;
4) das rheinisch-westfälische Schieserplatean und 5) das Sudeten-
system.
Am Nordfnße der Alpen breitet sich der gewaltige Hochlandsgiirtel aus,
desseu südwestlicher Teil, welcher vou den Gewässern des Rheins durch-
strömt wird, als die schweizerische, dessen nordöstlicher, von der Donan
und deren Zuflüssen durchströmter Teil als die deutsche oder schwäbisch-
bayrische Hochebene bezeichnet wird. An der Grenze beider Gebiete liegt
der Bodensee, 539 qkm groß, das gewaltige Läuterungsbecken des Rhein-
stromes, nur im Westen der Rheinmündnng von den Ausläufern der Thnr-
alpen unmittelbar berührt. — Die deutsche Hochebene, welche hier nnr in Be-
tracht kommt, bildet ein von beiden Seiten nach der Donau hiu sauft abge-
dachtes Plateau, welches sich mit der Douau nach Osten hin neigt und im
Osten durch das böhmisch-bayrische Waldgebirge und den Hausruck abge-
schlössen wird.
Diese große Hochebeue gewann ihre heutige Gestaltung mit der Entstehung
der Alpen, Als sich nämlich dieses Gebirge emporhob, senkte sich die nördlich vor-
liegende, dem Jurakalk ungehörige Ebene nach demselben hin, während gleichzeitig
der Nordrand des Juraplateaus emporschwoll. Anfänglich bildete die flache Mulde
wahrscheinlich einen großen See, der sich allmählich mit Alpengeröll füllte und dann
wiederum von den Flüssen durchfurcht wurde.
Der Charakter der Hochebene ist von großer Einförmigkeit; große Moore,
„Moose" genannt, breiten sich auf derselben aus, Reste der frühereu Seeu-
flache, so das Donanried, das Donaumoos bei Neubnrg, das Dachauer-,
Erdinger-, Isar- und das Weitmoos (bei Rosenheim).
Dieselben gleichen mit den sie umgebenden Föhrenwäldern vollständig den nord-
deutschen Torfmooren. Der Boden hat eine durchschnittliche Höhe von 550 m, da-
her das Klima ziemlich rauh, der Weinbau nicht mehr möglich, der Ackerbau fpär-
lich und die ganze Vegetation dürftig ist. Nach den Alpen zu breiten sich weite
Wälder aus; Bergbau fehlt und Industrie findet sich nur in den größeren Städten.
Die von den Alpen kommenden Flüffe empfangen mehrfach das Gewässer lieblicher
Seen, so vor allem die Isar, deren größte Seen bereits auf der Hochebene liegen.
Niedrige Höhen trennen die Flußlänfe voneinander; dieselben bilden meist trockenes
Wiesenland („Heide", so z. B. das Lechfeld im Süden von Augsburg, zwischen
Lech und Wertach); nur einzelne Landstriche, wie die Umgegend von Augsburg und
Landshut, zeigen trefflichen Anbau; in solchen Gegenden ist auch die sonst höchst
spärliche Bevölkerung dichter zu finden. An der Donau selbst, wie an deren Neben-
flüssen liegen die größeren Städte, besonders an den aus Norddeutschland nach den
Alpenpässen führenden Straßen.
Der deutsche Äura^llh schließt auf dem linken Donannfer die Hochebene
ab. Die Schichten des Jurakalks, nämlich unterer oder schwarzer,
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588 Drittes Kapitel.
heim: Langenpsnnzen, Dorf, Fundort römischer Altertümer („?ons Oeni"). Am
Inn und an der Tiroler Grenze das Dorf Kiefersfelden (Bahnstation). In dem
nahen Paß Klause die Ottokapelle (Abschied des Königs Otto von Griechenland, 1833).
Südlich von Roscnheim am Inn der Flecken Neubeuern (Schloß); bei dem nahen
Altbeuern eine ansehnliche Burgruine. Westlich von Rosenheim Aibling, Flecken
und Bahnstation; Schloß, große chemische Fabrik; Sol- und Moorbäder; unweit
davon das Schloß Brandseck. In dieser Gegend befinden sich Steinkohlengruben.
— Im Südwesten des Chiemsees der Marktflecken Prien, Bahnstation (schöue
Kirche,., Dampfschiffahrt) und Hohenaschau mit Burg.
Ostlich vom Chiemsee: Traunstein, unmittelbare Stadt au der Traun, Bahn-
station, 5401 Einwohner (1890) Bezirksamt, Landgericht, schöne katholische Pfarr-
kirche, Agentur der Bayrischen Notenbank, Realschule, Schloß, Krankenhaus; Saline
und Solbad (Sole von Reichenhall); Fischzuchtanstalt. In der Nähe das schön-
gelegene Wildbad Cmpsing. Südlich von Traunstein, bei dem Dorfe Siegsdorf,
das Schloß und Bad Adelholzen (alkalisch-erdige Mineralquelle). In der Nähe
Eisengruben und Eisenhütten (Maximiliaushütte bei Bergen :e.) Nahe der Mündung
der Traun in die Alz liegt der Flecken Trostberg, (schöne Andreaskirche, Brannt-
weinbrennerei). Der etwas südlich an der Traun gelegene Ort Stein war früher
Grenzfestung (zwei Schlösser). — Nördlich vom Chiemsee das Schwefelbad Seeon
(ehemaliges Benediktinerkloster). Im Chiemsee liegen die Inseln Herrenchiemsee
(ehemaliges Kloster, 764—1803; Schloß Ludnügs Ii. uach dem Muster des Schlosses
zu Versailles), Frauenchiemsee (Kloster und Pensionat der Benediktineriunen) und
die Krautinsel.
Ganz im Südosten des Bezirks die ehemalige Herrschaft Berchtesgaden: Berchtes-
gaden an der Achen, in reizender Alpengegend, Bezirksamt, Forstamt, Stiftsamt;
mehrere Klöster; Schloß und Landhaus; bedeutende Industrie in Schnitzwaren (von
Holz, Horn, Elfenbein); Salzwerk; vielbesuchte Sommerfrische; früher gefürftetc
Propftei. Südlich davou der herrliche Königssee und der gewaltige Watzmann.
Reichenhall, Stadt und Bahnstation an der Saale, in schöner Alpengegend und
von hohen Bergmassen umgeben (Untersberg, 1975 m, Dreisesselkopf, 1752 in; der
Hohe Staufen, 1813 m), 3260 Einwohner. Kreditverein; Industrie (Maschinenwerk-
stätte, Holzstosffabrikatwu); großartige Saline (über 20 Salzquellen; großartige
Soleuleitung nach Rosenheim, Traunstein und Berchtesgaden); stark besuchtes Sol-
bad Achselmauustein (Kochsalz- und Eiseuwasserquelleu, Molkenanstalt).
Laufen, Stadt an der Salzach, 2385 Einwohner. Schloß (Gefangenanstalt);
Kapuzinerkloster, Brauerei, Schiffsmühlen. In der Nähe Überreste aus der Römer-
zeit. — Teisendorf, Flecken und Bahnstation; Ruine Raschenberg. Am Westufer
des gleichnamigen Sees Waging, Flecken. — Tittmoning, Stadt an der Salzach,
1551 Einwohner. Gotische Kirche, Schloß; ehemaliges Kollegiatstift, Steinbrüche.
Altölting, Flecken rechts vom Inn, 3168 Einwohner. Bezirksamt, Forstamt,
sieben Kirchen und Kapellen; mehrere Klöster, vielbesuchter Wallfahrtsort. (In der
Kapelle mit dem „schwarzen Madonnenbilde" befinden sich die Herzen der bayrischen
Landessürsten; außerdem sind hier noch die Grabmäler Tillys, Herzog Albrechts Iv.
und des Herzogs Karlmann, gest. 880.) Eisen- und Messinggießerei. — Neuötting,
Stadt und Bahnstation, 2411 Einwohner. Wollenspinnerei, Jnnbrücke; nahebei das
Mordfeld (Sieg der Bayern über die Ungarn, 912). — Bnrghansen, Stadt am
linken Ufer der Salzach, 3383 Einwohner. Mehrere Klöster, Spital, Rettuugshaus.
Das über der Stadt gelegene Schloß war erst Grafensitz, dann Staatsgefängnis
(Gefangenschaft Ludwigs des Bärtigen, des schwedischen Generals Horn ?e.); Glocken-
gießerei.
Den Inn aufwärts Mühldorf, Stadt und Bahnkreuzungspunkt, 2827 Einwohner.
Bezirksamt. Eisenwerk, Hopfen- und Gemüsebau; Sieg Ludwigs des Bayern über
Friedrich den Schönen von Österreich (1322; das Schlachtfeld liegt nach Ampfing
zu). — Der Flecken Neumarkt; besuchte Märkte (Treffen 1809).
Weiter aufwärts am Inn Wasserburg, Stadt und Bahnstation, 3707 Ein-
wohner. Bezirksamt, Zuchthaus (für Weiber), Schloß, Hopfenbau, Mineralquelle
(St. Achatz). — Rott am Inn, ehemaliges Benediktinerkloster. — Der Flecken
Haag mit Schloßruine (früher Grafensitz). — Schwindegg an der Isen mit Schloß
und Bad Annabrnnn. — Isen, Flecken an der Isen; ehemaliges Kollegiatstift.